2012. Januar
Die Länder, die reich an natürlichen Ressourcen sind und deren Volkswirtschaften hauptsächlich von deren Ausfuhr leben, tun sich in ihrer Entwicklung besonders schwer: Geringes Wachstum, große Armut und eine weit auseinanderklaffende soziale Schere sind nur einige ihrer Probleme. Neben einem niedrigen Entwicklungsstand weisen diese Gesellschaften oft paternalistische und klientelistische Strukturen und einen Mangel an demokratischer Kultur auf. Dieser Beitrag geht auf den »Fluch der natürlichen Ressourcen« und dessen wirtschaftliche und politische Auswirkungen ein. Für einen Ausweg, so wird argumentiert, ist eine Gesamtstrategie erforderlich, mit der die extraktive Wirtschaft (schrittweise) überwunden werden kann.
Die Geschichte des Erdöls ist eine Folge von Kriminalität, Korruption, roher Machtausübung und offenbart die übelste Seite des grenzüberschreitenden Kapitalismus. Michael J. Watts
Eine doppelte Gefahr
Obwohl es auf den ersten Blick wenig glaubwürdig erscheint, beweisen Gegenwart und Erfahrung, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Armut und einem hohen Vorkommen an natürlichen Ressourcen gibt. Daraus lässt sich ableiten, dass die Länder, die über einen großen Reichtum an natürlichen Rohstoffen verfügen und deren Volkswirtschaften hauptsächlich vom Rohstoffabbau und der Ausfuhr leben, sich in ihrer Entwicklung besonders schwer tun. Insbesondere Länder mit einem hohen Vorkommen eines oder einiger weniger Primärprodukte scheinen zu einem niedrigen Entwicklungsstand verdammt zu sein.
Solche Länder befinden sich in einem Dilemma, das in der Fachliteratur als »Paradox des Überflusses« oder »Fluch der natürlichen Ressourcen« bezeichnet wird. Einige Autoren nehmen dieses Phänomen als einen tropischen Fatalismus (beinahe) hin1: Die Interamerikanische Entwicklungsbank (Inter-American Development Bank, IADB) spricht beispielsweise in ihren Jahresberichten und technischen Untersuchungen von:
einem geografischen Determinismus der Entwicklung: Die in Bezug auf natürliche Ressourcen reichsten und näher am Äquator liegenden Länder sind zu stärkerer Unterentwicklung und mehr Armut verurteilt (…) Es lässt sich ein tropischer Fatalismus erkennen, der die äquatornahen Nationen in der Armut gefangen hält. Laut IADB scheint die Entwicklung eines Landes umso langsamer und die interne Ungleichheit umso größer, je reicher es an natürlichen Ressourcen ist.
Bei einem solchen geografischen und ökologischen Determinismus bleibt nur noch die Resignation. Dennoch sieht die IADB eine Lösung: Der Ausweg liege, so fasste es Eduardo Gudynas zusammen, im Markt und der weiteren Vertiefung der neoliberalen Reformen. Zweifellos gehen hier Kühnheit und eine gehörigen Portion Unkenntnis Hand in Hand mit Anmaßung und einem gezielten Erinnerungsschwund.
Obwohl die südasiatischen Länder die »Ausnahme« von der Regel sind, haben die IADB und ihr nahestehende Interessenkreise eine noch weitaus schlimmere Gefahr »heraufbeschworen« als die im Überfluss vorhandenen natürlichen Ressourcen: eine Ideologie, mit der man sich die Einhaltung der marktzentrierten Wirtschaftspolitik sichern will. Die Anhänger des neoliberalen Glaubens streben danach, die von den Machtzentren ausgehende Ideologie der Ausbeutung (des Menschen und der Natur) zu verankern; es handelt sich um eine Ideologie, die den Konsum zum Ideal erhebt, den Markt als einziges Instrument für den sozioökonomischen Ausgleich zulässt und Ausbeutung wie auch Beherrschung zur alleinigen Daseinsform berechtigt.
- 1. Verschiedene Verfasser haben diesen »tropischen Fatalismus« bereits von verschiedenen Seiten beleuchtet. Dazu gehören Michel Gabin, Michel L. Ross, Jeffrey Sachs, Ricardo Hausmann, Roberto Rigobon und Ivar Kolstad.